Klimakrise

Klimakrise
Peter Prack
Es ist leider eine Verharmlosung, von Klimawandel zu sprechen und damit den Eindruck zu wecken, dass sich das Klima ja immer schon gewandelt hat. Tempo und Ausmaß der menschengemachten Klimaerwärmung machen den Klimawandel zur Klimakrise.
Zunächst geht es um zunehmende Temperaturen und immer unregelmäßiger fallende Niederschläge, was neben Starkregenereignissen auch lang anhaltende Trockenphasen bedeutet. Beides belastet den Wasserhaushalt der Pflanzen und damit des ganzen Waldökosystems –besonders dann, wenn beide Faktoren zeitlich zusammenfallen. Der Sommer ist in unserem Klima die Jahreszeit mit den meisten Niederschlägen. Leider ist das nicht mehr verlässlich der Fall. Erstmals kam es im Trockenjahr 2015 hier im Heidewald zu massiven Trockenheitsschäden an der Stiel-Eiche und damit an einer Baumart, die an diesen Standort und die tiefsten und wärmsten Lagen eigentlich gut angepasst ist.
18. August 2018: Die Stieleichen im Heidewald boten ein tief herbstliches Bild!
Biotope wie der Heidewald sind aufgrund der hier herrschenden Bodenbedingungen besonders betroffen: Der kiesige Untergrund ist ein sehr schlechter Wasserspeicher, und der Grundwasserspiegel, den wir uns ungefähr auf Höhe des Stausees vorstellen müssen, liegt zu tief, als dass ihn die Wurzeln erreichen könnten.
Diese Grafik zeigt die Abweichungen der jährlichen Durchschnittstemperatur von der langjährigen an einem für uns markanten, weil nahe liegenden Ort mit besonders langer Messgeschichte: Es ist die Sternwarte von Kremsmünster.
Grafik: Ed Hawkins, University of Reading, UK. Quelle: www.showyourstripes.info
Ist die Trockenheit von kurzer Dauer, schließen die Pflanzen die Spaltöffnungen ihrer Blätter. Gerade das Laub der Eichen ist damit relativ gut vor Austrocknung geschützt. Sein derb-steifer Charakter ist nämlich die Folge einer gut ausgeprägten, weitgehend wasserdichten Wachsschicht. Die Verdunstung erfolgt zum größten Teil über die Spaltöffnungen und kann durch den Spaltenschluss entscheidend verringert werden. Das hat aber einen Nachteil: Nur über offene Spaltöffnungen kann die Pflanze das CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, das sie für ihr Wachstum benötigt: Kein CO2, kein Stoffgewinn! Gärtner wissen das und gießen – im Wald geht das nicht. Selbst trockenere Jahre werden aber gut verkraftet. Solang es nicht zu extrem zugeht, sind sie einfach wachstumsschwache Zeiten. Der betreffende Jahresring der Bäume (vgl. Kapitel 4) bleibt schmal. Erst wenn die Trockenheit sehr lange anhält, wird der Mangel an neu gebildeten Stoffen – der Nahrung des Baumes – zum Problem, noch mehr aber der Wasserverlust. Dieser ist auch bei geschlossenen Spaltöffnungen nicht auf null herabgesetzt. Es entstehen Bilder wie das oben wiedergegebene – da war das Jahr für die Bäume um zwei Monate zu früh vorüber. Doch auch dieses Jahr 2018 wurde noch verkraftet, denn es folgten etwas günstigere. Eine Häufung extremer Jahre direkt hintereinander wäre aber fatal.
Waldzukunft in der Klimakrise
Fragt man Forstfachleute, wie sich die Waldwirtschaft auf den Klimawandel einstellen kann, dann hört man verschiedene Antworten. Eine handelt von Baumarten aus trockeneren Gebieten, vor allem aus dem Süden. Nun sind diese aber weniger frosthart. Das Problem ist daher: Tiefe Wintertemperaturen werden zwar weit seltener, aber über Jahrzehnte gedacht ist mit ihnen nach wie vor zu rechnen. Aus der Sicht des Naturschutzes ist der Hinweis, dass die natürliche Artengemeinschaft immer noch weit bessere Widerstandskraft aufweist als eine Monokultur, mit welcher Art auch immer, nach wie vor zu unterstreichen. Die wichtigste und ehrlichste Aussage von Waldfachleuten ist aber die: Gelingt es nicht, den menschenverursachten Klimawandel bei + 1,5 oder maximal + 2 Grad Celsius zu begrenzen, dann sind wir ratlos. Denn eine stärkere Erwärmung setzt Prozesse in Gang, die selber weitere Erwärmung bewirken, also eine Aufwärtsspirale der Temperatur. Ein Beispiel: Höhere Temperaturen im Hochgebirge verringern die eis- und schneebedeckten Flächen, die mit ihrem Weiß viel mehr Sonnenlicht ins Weltall zurückreflektieren als die dunklen Flächen, die durch das Abtauen hervortreten. Damit heizt sich die Umgebung bei Sonnenschein umso stärker auf – die Erwärmung beschleunigt sich.
Welke
In den letzten Sommern kam es wiederholt dazu, dass die krautigen Pflanzen im Heidewald „alles hängen ließen“, weil ihnen das Wasser fehlte. Manchmal regnete es dann rechtzeitig, mehrfach wurde aber der „permanente Welkepunkt“ überschritten, und viele von ihnen starben ab. Samen und unterirdische Regenerationsorgane lassen es zwar im nächsten Frühjahr so aussehen, als sei nichts Schlimmes geschehen. Nur was, wenn solche Zeiten immer häufiger werden?
Spätfröste
Wenn die Pflanzen ihr erstes, zartes Laub und ihre Blüten entfalten, ist es mit der winterlichen Frosthärte (vgl. Kapitel 4) vorbei. Wird es dann doch noch einmal richtig kalt – es reichen Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt –, kommt es zu Schäden, die an der Blüte überhaupt nicht und am Laub nur unter „hohen Kosten“, das heißt unter Verausgabung von Reserven, ausgeglichen werden können. Bekannt ist die alljährliche Sorge der Marillenbauern um ihre Ernte. So weit, so vertraut. Müsste das durch die Klimaerwärmung nicht sogar besser werden? Leider ist das Gegenteil der Fall. Immer öfter sind schon Februar und März so warm, dass der Austrieb viel zu früh erfolgt. Es gibt Jahre, in denen auch die folgenden Monate durchgehend so warm bleiben, dass das nichts ausmacht. Aber dass es im März, im April, noch einmal richtig kalt wird, ist nach wie vor relativ wahrscheinlich. Und eine einzige kalte Nacht genügt. 2023 war weithin ein Jahr ohne Äpfel und Walnüsse. Im Wald spielt es für sehr viele Arten ebenfalls eine große Rolle, wenn ein Jahr ohne Früchte an vielen Baum- und Straucharten auftritt. Langfristig käme die Verjüngung des Waldes ins Stocken – dieser dient die Bildung von Früchten und Samen schließlich.
Schnee
In Linz gibt es im langjährigen Durchschnitt 42 Tage mit Schneedecke. Hier bei Kronstorf können es nicht weniger sein, eher mehr (vgl. Kapitel 4). Vermutlich überrascht Sie das. Ja, wir beginnen, die veränderten Verhältnisse in der Klimakrise fälschlich als gewöhnlich wahrzunehmen. Das ist deshalb problematisch, weil es uns Zustände als Normalität erscheinen lässt, die tatsächlich auf einer raschen Veränderung beruhen. Was einige Jahrzehnte braucht, ist für die Natur eine ungeheuer schnelle Entwicklung, für uns Menschen aber ein schleichender Prozess, der aus unserer bewussten Wahrnehmung rutscht.
Anpassung?
Es ist weit verbreitetes Halbwissen, dass sich Lebewesen an Veränderungen anpassen können. Man muss hier unterscheiden: Arten haben einen angeborenen Spieleraum ihrer Existenzbedingungen und vertragen so zum Beispiel trockenere und feuchtere, wärmere und kühlere Jahre. Gehen die Veränderungen aber über diesen Spielraum hinaus, dann müssten die Arten neue Anpassungen entwickeln. Auch das hat in der Geschichte des Lebens auf der Erde in der Evolution millionenfach stattgefunden. Diese Prozesse der Bildung und Veränderung natürlicher Anpassungen dauern aber weitaus länger als viele der vom Menschen verursachten Veränderungen. Gerade mit der rasanten Klimakrise können die Arten nicht mithalten.